Große Reibn! 54 KM. 4.500 Höhenmeter. One Push. (inkl. Video)

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Der Wecker ging um kurz nach 2 Uhr. Aus dem Schlafsack schälen, essen, anziehen. Taxi kommt kurz nach 3 Uhr zur Wimbachbrücke. Fahrer sagt, es ist glatt und so laufen wir die letzten zwei Kilometer bis zum Start am Parkplatz auf der Straße. Irgendwann endlich Ski anschnallen und durchs Skigebiet Richtung Carl-von-Stahl-Haus. Es ist stockdunkel. Zwischen den Wolken sehen wir nur wenige Sterne. Der Neuschnee des Vortags hat alle Spuren der letzten Tage verwischt. Als es immer steiler wird und wir zwischen den Latschen zunehmend Schwierigkeiten haben eine vernünftige Aufstiegspur zu legen, brechen wir durch die Wolkendecke. Es ist immer noch lange bis zum Sonnenaufgang, aber zum ersten Mal können wir uns orientieren. Hinter uns das gewaltige Hohe Brett, vor uns der Schneibstein und in der Ferne ist sogar der Watzmann zu erkennen. Erleichterung. Und es wird mit jeder Minute und jedem Höhenmeter heller. Ein epischer Sonnenaufgang lässt uns auf unseren letzten Metern bis zum Gipfel nicht aus dem Staunen herauskommen. Unter uns das Wolkenmeer. Die Sonne strahlt die höchsten Gipfel an. Weit und breit kein Mensch. Keine Spur wohin man blickt.

Am Schneibstein Gipfel beginnt für uns die eigentlich Reibn. Bisher fühlte es sich nach einer normalen Skitour an. Doch jetzt heißt es vor allem Strecke machen. Meistens mit Fellen unter den Skiern. Im ständigen auf und ab navigierten wir uns über das erste Hochplateau und ziehen unsere Spuren in den unberührten Schnee. Der Aufstieg zum Eisgraben hätte ich mir nicht so steil vorgestellt. Mit knapp 20 KM erreichen wir hier am Joch unseren selbst gewählten Point-of-no-Return. Entweder durchziehen oder jetzt umdrehen. Doch alles ist top. Also abfellen und Einfahrt in die Rinne finden. Wir sehen die Steine unterem Pulverschnee kaum und rauschen immer wieder in Steinfelder. Not cool. Dann die Crux der Tour. Der untere Teil des Eisgraben muss abgeklettert werden. Bei der Tourenbeschreibung hieß es: „alles kein Problem“. Doch ohne Spuren stehen wir schon etwas ratlos am Kopf der 30 Meter hohen senkrechten Stufe und fragen uns, wie wir da runter kommen sollen. Ganz rechts geht es dann. Inzwischen hat uns ein Berchtesgardener mit seinem Sohn eingeholt. Es wird sich rausstellen, dass wir die einzigen sind, die an diesem Tag die Große Reibn angegangen sind und so sind wir ab jetzt zu viert unterwegs.

Kurze Krise am tiefsten Punkt der Tour. Matzes Felle halten nicht mehr. Vereist. Alle kurzfristigen Aktionen bringen nichts. Also cool bleiben, Felle wärmen und hoffen. Es sind noch mehr als 2.000 Höhenmeter. Und ohne Felle gibt es keine Chance, dass wir hier wegkommen. Wir verlieren über eine Stunde. Irgendwann geht es zum Glück wieder und wir kämpfen uns zum Gipfel des Funtenseetauern. Das Vater-Sohn Duo hat das Spuren übernommen und so machen wir zügig Boden gut. Kurz vor dem Gipfel holen wir sie ein. Die Anstrengung steht ihnen ins Gesicht geschrieben und wir sind jetzt alle nicht mehr im Easy-Peacy Modus. Wieder eine katastrophale Abfahrt mit tausend Steinen zum Kärlinger Haus. Die Sonne steht inzwischen tief und es wird zapfig kalt. Wir können nachvollziehen, warum dies als der kälteste Ort Deutschlands gilt.

Die meisten machen die Große Reibe auf zwei Tage. Dann ist jetzt Schluss. Bei uns stehen noch zwei massive Anstiege auf dem Plan. Und vor allem der Vorletzte zieht sich unfassbar lang. Es geht durchs steinerne Meer und der verdammte Hundstod kommt einfach nicht näher. Und dann war auch irgendwann das letzte Licht des Tages weg. Mit Stirnlampe geht es in die Abfahrt. Endlich guter Schnee und fahrbare Passagen. Bei den letzten 400 Höhenmeter war dann der Ofen aus. Also Kopf runter und hoch stapfen. Die Nacht ist diesmal Sternenklar. Aber auch eiskalt. Mit allen Kleidungsschichten geht es in den finalen Downhill. Und der wäre bei Tag ein einziger Traum zum Fahren. Steil, lang und perfekter Pulverschnee. So kämpften wir uns jedoch Schwung für Schwung ins Wimbachtal. Bisschen konnte man unten noch fahren. Dann nochmals ein richtiger Spaß: Die letzten 5 Kilometer gibt es keinen Schnee mehr und man wandert auf der Forststraße. Aber nach so einem langen Tag schockte uns nichts mehr. Euphorisch von dem überstanden Abendteuer kommen wir um kurz vor 22 Uhr am Auto an. Was! Ein! Tag!